Eschweiler Chronik

Neueste Geschichte 1930 - 1945

1930
Eschweiler Nazis gründen den »Sturm 7« der »Sturmabteilung« (SA), »Standarte« 25 - Aachen. Die SA besorgt den braunen Terror auf der Straße und die Saalschlägereien, von den Nazis »Kampfzeit« genannt.
Februar 1931

Am 21. Februar explodiert Sprengstoff in einer Werkzeugkiste der Bergleute (Gezähekiste) in der Grube Reserve in Nothberg. Die Explosion tötet fünf Bergmänner sofort und verursacht eine Kohlenstaubexplosion, in deren Feuerwalze weitere 27 Bergleute umkommen, der jüngste 16 Jahre, der älteste 42 Jahre alt. 35 werden teils schwer verletzt, was nach vier Monaten als »vorläufige Anzahl« Verletzter bekannt gegeben wird. »Mitten in das Gerassel der Förderwagen, die in sausendem Tempo nach wie vor auf- und niedergingen, kamen ab und zu telefonische Mitteilungen von der Grube her, dass sich Tote oder Verwundete in dem Förderkorb befänden.« Die werden am sogenannten Alten Schacht gefördert, derweil die Kohleförderung nur kurzzeitig unterbrochen wird. Die Toten kommen in einen Raum des Zechengebäudes: »Sie lagen noch auf den Tragbahren, wie sie aus der Grube gekommen waren. [...] Die meisten waren kohlschwarz verbrannt.« Es gehört zum Arbeitsalltag in den Gruben des Eschweiler Bergwerks-Vereins (EBV), dass einfache Arbeiter dort immer mal wieder vereinzelt zu Tode kommen. Weitergehende Aufmerksamkeit finden nur die Desaster mit einer größeren Anzahl Toter. Am 24. Februar findet eine Trauerfeier in der Eschweiler »Schützenhalle« in der Marienstraße statt. Es wird von der »Majestät des Todes« und von »entfesselten Naturgewalten« geredet. Doch nur ein Gewerkschafsvertreter spricht dort von unzumutbaren Arbeitsbedingungen. Im Reichstag erzwingen Kommunisten und Sozialdemokraten eine Debatte und kritisieren, dass 27 der Todesfälle bei vernünftigen Arbeitsbedingungen beim EBV, der ohne nötige Sicherheitsvorkehrungen vorzugsweise unerfahrene Billigkräfte unter enormem Leistungsdruck beschäftige, vermeidbar gewesen wären. Der Antrag der Kommunisten, zwei Millionen Reichsmark zur Unterstützung der Hinterbliebenen bereit zu stellen, wird abgelehnt: die drei Millionen für das Alsdorfer Unglück (am 21. Oktober 1930 führt Schlagwetter zu 271 Toten und 304 Verletzten) müssten für Eschweiler mit reichen. Nach zähen Verhandlungen stellen der Staat 72.000 und der EBV 40.000 Reichsmark für die Eschweiler bereit, Spenden aus der Bevölkerung bringen 31.569,95 Reichsmark. Witwen erhalten einmalig 4.000 und Waisen einmalig 1.000 Reichsmark als Unterstützung, Verletzte zwischen 100 und 200 Reichsmark.

Im Editorial ihrer Sylvesterausgabe überlässt die älteste Tageszeitung Eschweilers, der Eschweiler Anzeiger, zwei Wegbereitern der Nazis, nämlich den Antidemokraten Ernst von Wolzogen und Franz Schauwecker, das Wort, und diese propagieren, neben der für den Eschweiler Anzeiger typischen Ermahnung zu Frömmigkeit und Gebet, »Führertum und Wehrhaftigkeit«.
1932

Der »Bund deutscher Mädel«, seit 1931 die »Mädchenschaft« der Hitlerjugend, wird in Eschweiler installiert. Gretl Klinkenberg erhält dafür 1936 das »Goldene HJ-Ehrenzeichen«.

Die Arbeitslosenquote in Eschweiler beträgt zum 1. April 18 %, wobei Eschweiler indes an der Spitze im Landkreis Aachen und in Westdeutschland liegt. Die »einfache Fürsorge« (Sozialhilfe) wird nochmals um 10 % auf etwa ein Drittel des Existenzminimums gekürzt. Durchschnittlich kommen in Eschweiler auf einen Arbeitnehmer zwei wirtschaftlich Abhängige. Die Stadt erhebt eine Steuer auf den Ausschank von Bier.
Bei der Wahl des Reichspräsidenten am 10. April stimmen 65,26 % der an der Wahl teilnehmenden Eschweiler für den Verlierer des Weltkriegs und Mitbegründers der »Dolchstoßlegende«, den rechtskonservativen Feldmarschall a.D., Paul Ludwig von Beneckendorff und von Hindenburg, 18,41 % wählen den Kommunisten Ernst Thälmann, 16,33 % wählen Adolf Hitler. Zwei Wochen später bei den Wahlen zum preußischen Landtag liegt die Nazi-Partei NSDAP mit 18,94 % deutlich vor der SPD (8,75 %), aber hinter KPD (21,12 %) und Zentrum (43,14 %). Bei den Wahlen zum Reichstag am 31. Juli und 6. November liegt die Nazi-Partei hinter Zentrum, KPD und auch hinter der SPD. Allerdings ist die Wahlbeteiligung unterschiedlich, und an dem was die Nazis letztlich verlieren, legen andere rechtsnationale Parteien wie die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und die Deutsche Volkspartei (DVP) zu. Dafür sorgt auch der Bote an der Inde, die katholische Lokalpresse: Sie beschwört seit jeher die »Gefahr des Bolschewismus« und diskrimiert die Nazis insofern positiv, als dass die als »Bollwerk gegen den Bolschewismus« versagt hätten, biedert aber gleichzeitig den Nazis die Zentrumspartei als Koalitionspartner an. Die Eschweiler DNVP- als auch DVP-Mitglieder werden indes später den Nazis beitreten und zum Teil dort auch Karriere machen.

Mit Wirkung vom 1. Oktober werden die Orte Nothberg, Bohl, Volkenrath, Hastenrath und Scherpenseel aus dem Kreis Düren nach Eschweiler eingemeindet. Das bewirkt in Eschweiler einen deutlichen Stimmenzuwachs für die Linksparteien bei der Reichstagswahl im November.
1933

Am 30. Januar wird Adolf Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt und mit der Bildung einer »Regierung des nationalen Zusammenschlusses« beauftragt.

Am 27. Februar beginnt die Polizei im gesamten Landkreis Aachen die »Aktion gegen Kommunisten«. Bis Ende März sind zehn Funktionäre der KPD aus Eschweiler verhaftet, in Baesweiler sind es 40. »Flüchtige« Kommunisten werden von der Polizei gesucht.

Am 8. März marschieren 50 rechtsnationalgesinnte Männer von SA und »Stahlhelm« (»Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten«, Wehrverband der rechtsnationalen und antisemitischen Deutschnationalen Volkspartei, DNVP) unter der Führung des Nazi-Ortsgruppenleiters Oskar Sonderkamp und hissen auf allen öffentlichen Gebäuden in Eschweiler und Dürwiß die Hakenkreuzfahne und Schwarz-Weiß-Rot des Kaiserreichs.
Aus den Kommunalwahlen am 12. März in Eschweiler bei knapp 68 % Wahlbeteiligung geht die NSDAP deutlich gestärkt als zweitstärkste Partei mit 29,7 % (10 Sitze) nach dem Zentrum (gottgläubige, katholische Rechtsnationale und Rechtskonservative) mit 32,4 % (ebenfalls 10 Sitze) hervor. Die KPD liegt mit 14,8 % und damit erheblichen Verlusten gegenüber dem Wahlergebnis von 1929 vor der SPD, die mit 12,8 % leicht hinzugewinnt. Der den Nazis nahe Nationale Block erreicht 5,3 % und 1 Sitz.
Am 21. März finden in Eschweiler, Dürwiß, Weisweiler, Stolberg, Lamersdorf, Mausbach, Wenau und Umgebungen Fackelzüge und »vaterländische Kundgebungen« zum »Tag der Nation« (Reichstagseröffnung) statt. In Eschweiler übernimmt die Stadtverwaltung die Organisation und Bürgermeister Hubert Kalvelage (Zentrum) fordert zur Beflaggung auf. Es marschieren dort der Reiterverein aus Röhe an der Spitze, dann SA, Schüler aller Eschweiler Schulen (der Unterricht fällt aus), Feuerwehr, »Stahlhelm«, der »Eschweiler Kriegerverein«, Sportvereine, Pfadfinder, Jäger, Schützenvereine pp. zum Marktplatz; in Dürwiß wird der Aufmarsch vom Landwirtschaftlichen Kasino angeführt. Auf dem Eschweiler Marktplatz sprechen Bürgermeister Kalvelage, der sich zu »treudeutscher Gesinnung« und dem »wehrhaften Staat« bekennt, und nach diesem und in derselben Tonlage Studienrat Conrad und Nazi-Führer Sonderkamp. In dem in Eschweiler erscheinenden Allgemeinen Anzeiger heißt es, dass 4.000 bis schließlich 12.000 »begeisterte« Eschweiler in den »dreifachen Heil-Ruf« einstimmen.
Bürgermeister Hubert Kalvelage (Zentrum) arrangiert sich auch im Stadtrat sofort mit den Nazis und bleibt so bis zu seinem Tod 1944 im Amt. Später wird es heißen, er habe die Beamtenschaft schützen wollen. Fälle derart sind indes nicht bekannt geworden, vielmehr wurden die wenigen sozialdemokratischen Bediensteten insbesondere aus der Arbeitsverwaltung entfernt. Tatsächlich forderte Kalvelage am 25. März 1933 alle Bediensteten der Stadtverwaltung, die sich nicht hinter die Nazis stellen wollten, ultimativ auf, den Dienst zu verlassen, und zugleich erklärte der Vorsitzende des Beamtenausschusses (ähnlich: Personalrat), dass sämtliche Bedienstete in »treudeutscher nationaler Gesinnung« hinter dem NS-Regime stünden. Auch die Eschweiler Polizei unter, mittlerweile Polizei-Oberinspektor, Schreiber, der 1923 gegen die Hungerrevolten in Eschweiler mit Waffengewalt vorgegangen ist, stellt sich ausdrücklich mit allen Polizeibediensteten uneingeschränkt hinter die »nationale Regierung« und will »gegen alle, die sich gegen diesen [den NS-, HvL] Staat stellen« energisch durchgreifen. Allgemein im Hinblick auf die Bürokratie des Reichs ist Hitler es gelungen, davon zu überzeugen, dass er den radikalen braunen Terror der Straße nunmehr in Gesetze gießt (Beendigung der NS-Revolution) und einen Legalitätsanschein schafft, sodass die Bürokraten sich nun nur allzu willig nazifizieren. Derweil kommt es bei der extremen Linken in Eschweiler zu Protesten und spontanen Arbeitsniederlegungen.
Am 31. März tritt der neue Stadtrat zusammen. Die gewählten Sozialdemokraten bleiben der Sitzung mit der Bitte um Urlaub fern, die gewählten Kommunisten sind gar nicht erst geladen worden, und am 20. März wird die KPD reichsweit verboten. Die Versammlung in Eschweiler, an der Spitze Bürgermeister Kalvelage, stellt sich hinter die »nationale Erhebung«. Der Rat trägt dem Reichspräsidenten Hindenburg, dem Verlierer des Weltkriegs und Mitbegründer der Dolchstoßlegende, als »ruhmvollen Führer in Krieg und Frieden« und dem Reichskanzler Hitler als dem »großen Führer der deutschen Freiheitsbewegung« die Ehrenbürgerschaft an. Auf Antrag von Oskar Sonderkamp von den Nazis werden Straßen nach Nazi-Granden und die Judenstraße nach einem »Märtyrer der Bewegung« umbenannt, Rosenallee in Adolf-Hitler-Straße, Ebertstraße in Hermann-Göring-Straße, Judenstraße in Horst-Wessel-Straße, Franzstraße in Robert-Ley-Straße. Die Stadtverordneten Ellinghoven (Zentrum) und Strauch (Liste Strauch) haben Bedenken, die Ebertstraße (nach dem sozialdemokratischen Reichspräsidenten Ebert) wegen dessen Ansehen in der Arbeiterschaft umzubenennen. Stadtverordneter Schneider distanziert sich für die Zentrumsfraktion vom Fraktionskollegen Ellinghoven. Die Umbenennung wird schließlich auch mit der Stimme Ellinghovens beschlossen, einzig allein Strauch, der sich unterdessen in der Sitzordnung nach rechts zu den Nazis selber angesiedelt hat, stimmt dagegen. Die Umbennenung der Franzstraße wird dann aber doch nicht vollzogen, weil Straßenbenennungen nach lebenden Nazis – ausgenommen Hitler – ›oben‹ unerwünscht sind, und die Ebertstraße wird schließlich nach einem »Blutzeugen« der Nazis in Klaus-Clemens-Straße umbenannt.

Am 1. April beginnt in Eschweiler die Judenverfolgung. Es wird die jüdische Schule geschlossen. Gleichzeitig erscheint in der lokalen Nazi-Presse ein Aufruf des mittelfränkischen »Gauleiters« und berüchtigten Nazi-Hetzers Julius Streicher zum »Judenboykott« und überall in Eschweiler ziehen ›deutsche Wachen‹, Eschweiler SS- und SA-Männer, vor jüdischen Geschäften auf. Auch die gerade in der Stadt tagende Reichsbetriebsgemeinschaft Handel verlangt den Boykott jüdischer Kollegen.

Am 1. Mai tritt Bürgermeister Kalvelage der Nazi-Partei bei. Am 19. Mai legen die in den Stadtrat gewählten Sozialdemokraten ihre Mandate nieder. Die Fraktion der Zentrumspartei tritt geschlossen zu den Nazis über, im Juni löst sich die Zentrumspartei auf. Die noch bestehenden Gewerkschaften werden aufgelöst bzw. verboten. Die Nazis verhängen einen Aufnahmestopp für die NSDAP, da der Zulauf nicht so bewältigt werden kann, dass bloße Opportunisten ausgeschlossen sind. In Eschweiler kommt es dennoch dazu, dass die örtliche NSDAP angesichts der Mitgliederzahl sich nunmehr in drei Ortsgruppen statt der einen seit 1929 gliedert. Für Hitler-Jugend, SA, SS und Arbeitsfront gilt der Aufnahmestopp indes nicht.

Im Juli wird das erste Aufgebot der sogenannten Hilfspolizei für den Landkreis Aachen von Landrat Claßen u.a. mit »dem dreifachem Sieg-Heil auf unseren Führer« vereidigt. Die Hilfspolizei für den Landkreis besteht aus SA- und SS-Männern und ist in Eschweiler kaserniert (Infanterie-Kaserne). Sie ist insbesondere an der Verfolgung all jener, die vom Regime als »staatsfeindlich« angesehen werden, beteiligt – Juden, Kommunisten, Sozialisten, Freigeister pp. Für die Kosten der Kasernierung kommt die örtliche Industrie auf, bewaffnet wird die Hilfspolizei aus den Beständen der regulären Polizei, Kommandeur ist SA-Sturmbannführer Lucian Wysocki, Gesteinshauer in Baesweiler und Reichstagsabgeordneter der Nazis im Wahlkreis 20 (Köln-Aachen), später SS- und Polizeiführer im »Ostland«, besetztem Gebiet in Russland. Die Hilfspolizei geht schließlich in das SA-Feldjägerkorps über. Nach dessen Auflösung 1936 werden die Feldjäger wahlweise zurück in die NS-Formationen geführt oder in die reguläre Polizei eingegliedert. So geht Josef Kuiff aus Eschweiler zurück in die SA und wird 1937 Ortsgruppenleiter der NSDAP in Eschweiler und Ratsmitglied, Fritz Brandt aus Röhe wird Leutnant der Eschweiler Polizei.

Während im Landkreis »Säuberungen« der Kommunalverwaltung vorgehen, wird Kalvelage am 30. August vom Rat einstimmig als Bürgermeister bestätigt.

Anfang November schaltet sich der Deutsche Handlungsgehilfen-Verband (DHV), die reichsweit größte Angestellten-Gewerkschaft, in Eschweiler gleich und überführt sich selbst in die Deutsche Arbeitsfront (DAF) der Nazis. Der DHV ist seit seiner Gründung 1895 antisemitisch und eine Hauptgeldquelle der Rechten. Unter seinem Dach versammeln sich Anhänger aller rechtsnationalen Parteien und der Zentrumspartei.
Am 12. November stimmen 85,4 % der wahlberechtigten Eschweiler bei einer Wahlbeteiligung von 98,6 % für den »Einheitswahlvorschlag« der Nazis zum Reichstag, 87,2 % für den Austritt des Reichs aus dem Völkerbund. SA, SS und NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps) haben die Wähler mobilisiert. Am 19. November begeht die Evangelische Kirche in Eschweiler den Luthertag – um neun Tage verspätet aus Rücksicht auf die durch die Parteienverbote manipulierten Reichstagswahlen am 12. November. Die Nazis vereinnahmen die Festivität, überhaupt: die evangelische Kirche in Eschweiler ist ein Bahnbereiter für die Nazis. Pfarrer Friedrich Kreip tritt der NSDAP bei.

Die Eschweiler Kaufmannschaft ruft im Dezember den Slogan »Deutsche, kauft nur in deutschen Geschäften« aus, und es erscheinen Werbungen für »deutsche Weihnachten« mit Angeboten aus »deutschen Geschäften« in Eschweiler. Arbeitslose müssen von nun an jede Arbeit annehmen, Hilfsbedürftige erhalten Sachleistungen. Die Bauern aus Alsdorf, Höngen, Kinzweiler und Eschweiler werden in die intensive Landwirtschaft des NS-Staats eingeführt. Die im Jahresverlauf begonnenen und nun abgeschlossenen Bohrungen bei Hehlrath im Amt Kinzweiler veranlassen dazu, dort mit der Ausbeute von Braunkohle für die Energiewirtschaft zu beginnen.
1934

Am 28. Februar wird die Zeitungslandschaft in Eschweiler nochmals, nach dem Verbot linker Zeitungen, kleiner: Auch der Allgemeine Anzeiger für Eschweiler und Stolberg stellt sein Erscheinen ein. Das hat jedoch nichts mit der Gleichschaltung zu tun. Diese Zeitung und vor ihr schon die älteste am Ort, der bis 1931 erschienene Eschweiler Anzeiger, sind seit jeher antidemokratisch und schon vor der »Machtergreifung« auf Kurs der Nazis gewesen. Der Anzeiger aus dem Eschweiler Verlag Dostall kränkelt ökonomisch spätestens schon seit der Krise 1931, und nun geht es um den Anzeigenmarkt, der für zwei rechtsnationale Blätter im relativ kleinen, und außer der Industrie kapitalarmen Eschweiler sehr überschaubar ist. Insofern tritt der Allgemeine Anzeiger hinter den Westdeutschen Beobachter aus dem Verlag der NSDAP zurück. Der Handel dabei ist, dass der Verlag Dostall den Lokalteil für das Nazi-Blatt druckt.

Am 18. April löst sich die Eschweiler Ortsgruppe der Deutschen Volkspartei (DVP) auf. Den Mitgliedern wird empfohlen, sich den Nazis anzuschließen.
1935

Per 1. Januar werden Donnerberg, Birkengang, Steinfurt und Steinbachshochwald nach Stolberg ausgemeindet.
Im weiteren Verlauf des Januars nimmt die Geheime Staatspolizei (Gestapo, kriminalpolizeiliche Behörde) 11 Personen aus Eschweiler und Stolberg fest, »weil sie versucht hatten, sich im kommunistischen Sinne zu betätigen« wie es in der Lokalpresse heißt.
Im Januar beginnt – nach 1933 – die zweite antisemitische Welle. In der Lokalpresse gibt es zunächst im Anzeigenteil Warnaufrufe: »Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter!«, dann konzentrieren sich die Maßnahmen auf die Segregation. Im Juli verkündet die Lokalpresse Eschweiler Beobachter unter der Überschrift »Es geht auch ohne Juden«, dass der Nutztiermarkt in Aachen »judenfrei« sei.

Im Juli wird der Jungmännerverein »Mühle« wegen dessen »staatsfeindlicher Einstellung« verboten.

Die Nazis ändern das Allgemeine Deutsche Berggesetz, sodass die Vernichtung ganzer Ortschaften einschließlich der Friedhöfe zugunsten von Großtagebauen möglich wird. Denn die Nazis sind im Rahmen ihrer Kriegsvorbereitung sehr an wirtschaftlicher Autarkie und damit in gesteigertem Maße an der Braunkohle interessiert. Im November 1935 wird mit »Zukunft-West« der erste Großtagebau zwischen Eschweiler und Hehlrath/Kinzweiler aufgeschlossen, in dem dann auch erstmals ein Schaufelradbagger eingesetzt wird. Diesem ersten und noch relativ kleinen Großtagebau fallen bis in die 1980er Jahre hinein insbesondere die Dörfer Erberich, Langendorf, Langweiler, Laurenzberg, Lohn, Lürken, Pattern, Pützlohn und mit der Velau halb Hehlrath zum Opfer. Das Rittergut Hausen aus dem 13. Jahrhundert, zwischen dem Weiler Hausen und Langendorf/Frohnhoven gelegen, wird zwischen 1977 und 1980 nach Aachen-Brand transloziert. Heute noch kommt es zur Vertreibung der Bevölkerung durch das Abbaggern historisch gewachsener Siedlungen.
1936

Die Concordiahütte stellt den Hochofenbetrieb ein.

Ende Februar hat die Polizei noch rund 2.000 Menschen auf ihrer Liste von »Staatsfeinden« in Stadt und Kreis Aachen. Aus Vereinfachungsgründen sollen nur 10 % davon gejagdt werden, darunter 10 Menschen aus Eschweiler und drei aus Weisweiler.

Am 22. März, zwei Wochen nach der deutschen Remilitarisierung des Rheinlands, wird der erste Spatenstich zum Bau der bereits in der Weimarer Republik 1925 geplanten Reichsautobahn Aachen – Köln (heutige BAB 4) im Abschnitt Eschweiler – Weisweiler gesetzt. Bis 1942 wird das Teilstück Verlautenheide bis Düren fertiggestellt. Die Strecke ist erst im Dezember 1960 durchgängig befahrbar. Unabhängig davon fehlt es in der Nazi-Zeit an Autos, und der »Volkswagen«, der dem abhelfen soll, kommt erst nach dem bald einsetzenden Weltkrieg heraus. In Eschweiler wird damit geworben, dass der Bau eine erhebliche Anzahl an Arbeitsplätzen schaffe, unisono reichsweit, nur ist das nicht wahr. Die Autobahnen sind aber technisch hervorragend für den Aufmarsch des damaligen Militärs für den Blitzkrieg beim Überfall auf die Nachbarstaaten Deutschlands geeignet und neben der zivilien Nutzung auch dafür gedacht. Der beabsichtigte spätere Krieg weit außerhalb der eigenen Grenzen lässt 1942 den Weiterbau von Kerpen bis Köln militärstrategisch jedoch als obsolet erscheinen. Die Fertigstellung weniger und anderer Autobahnen gilt dann als opportun.
Die Autobahn hat bis heute als Bundesautobahn 4 insbesondere für die Eschweiler Ortschaft Röhe einschneidende Bedeutung: Sie verläuft durch den historischen Ortskern und teilt das Dorf in Nord- und Süd-Röhe; einzige Verbindung der Dorfhälften ist die Unterführung unter die Autobahn in der historischen Ortsmitte. Auch der historische evangelische Friedhof in Röhe liegt unmittelbar an der Autobahn.

Am 20. April, »Führers« Geburtstag, werden die rund 3.000 Politischen Leiter und Mitarbeiter der NSDAP und den NS-Organisationen im Landkreis Aachen in der Eschweiler Infanterie-Kaserne, die hierbei bereits erwartungsvoll nach dem Nazi-Granden und Kriegsverbrecher »Hermann-Göring-Kaserne« genannt wird, auf den »Führer« vereidigt. Die örtlichen Nazis sind vor allem horizontal, heterarchisch, also in der Breite gut aufgestellt, was für eine Durchwachsung spricht.
1937

Am Kraftwerk in Weisweiler wird ein 168 Meter hoher Schornstein errichtet und im Volksmund »der lange Heinrich« (oder: der lange Hein, wie anderswo in der Region auch für große Fabrikschlote üblich) genannt. Er wird zum Wahrzeichen Weisweilers und überstahlt auch Eschweiler. Derweil wird in Eschweiler-Ost der Neubau der Herz-Jesu-Kirche eingestellt: Die Leistungssteigerung in der Industrie und der Bau des Westwalls haben als Kriegsvorbereitungen unbedingten Vorrang.

Die Polizei errichtet ein »Ehrenmal« für den am 2. Juni 1920 von »farbigen« Besatzungstruppen erschossenen Polizeiwachtmeister Karl Schmitz nahe des Hauptbahnhofs in Eschweiler.

Nach der Lockerung der Aufnahmesperre zur NSDAP (Aufnahmestopp, um Opportunisten auszuschließen, endgültige Aufhebung der Sperre 1939) haben die Nazis in Eschweiler weiterhin so großen Zulauf, dass sie sich statt in drei Ortsgruppen seit 1933, nach der bis 1933 einen, in nunmehr vier Eschweiler Ortsgruppen gliedern. Daneben bestehen weiterhin die Ortsgruppen in Kinzweiler, Dürwiß und Weisweiler, Gebiete die noch nicht eingemeindet sind.
1938

Im Tagebau »Zukunft-West« wird im Februar die erste Kohle gefördert.

Am 10. April lässt das Nazi-Regime über den – zurückliegenden – »Anschluss« Österreichs an das »Altreich« abstimmen, und feiert sich damit selbst. In Eschweiler machen vorab SS und SA ›Wahlkampf‹.

Ende Oktober findet die »Polenaktion«, eine kurzfristig durchgeführte Abschiebung von jüdischen Polen aus dem Deutschen Reich statt. Auch Eschweiler fallen unter die »Polenaktion«. Die Ausweisung erfolgt nicht nur plötzlich und für die Betroffenen völlig überraschend, sondern auch gewaltsam. Herschel Grynszpan, dessen Eltern dazu gehören, verübt daraufhin am 7. November in Paris ein Attentat auf den deutschen Botschaftsmitarbeiter Ernst vom Rath. Dies gibt den Nazis Anlass für die Novemberpogrome.

In der Nacht auf den 10. November geschieht auch in Eschweiler der Pogrom an Juden, der zynisch als »Reichskristallnacht« in die Geschichte eingegangen ist: In der Schützenhalle wird die Gedenkfeier zu dem dilettantischen Hitler-Ludendorff-Putsch vom 9. November 1923 »gut besucht« und bringt die Antisemiten, die sich längst nicht nur in der Nazi-Partei versammelt haben, in Stimmung. Anschließend wird die Synagoge in der Moltkestraße von vier Nazis in Brand gesetzt: Der Zugang wird erzwungen, es werden Strohballen in das Gotteshaus geworfen, mit Benzin überschüttet und angesteckt. Im Zusammenhang mit den vier Tätern wird einer der beiden SA-Obersturmbannführer aus Eschweiler genannt. Die Synagoge in Weisweiler wird ›lediglich‹ geplündert, weil dort Anbauten »Deutscher« bestehen, die ansonsten mit in Brand geraten könnten. Während die Synagoge in Eschweiler brennt, schänden Eschweiler SA-Männer die Gewänder des Rabbiners, in Weisweiler wird der Rabbiner vom dortigen NSDAP-Ortsgruppenleiter (bis 1941, danach in Insbruck) und Bürgermeister Heinrich Löltgen schikaniert. Die Feuerwehr (Feuerschutzpolizei) greift nicht ein, und die Polizei, die einige Jahre zuvor auf hungernde Arbeiter geschossen hat, sieht weg. Auch als Eschweiler Schläger von SS und SA die Schaufenster der jüdischen Geschäfte einschlagen und die Innenräume demolieren. Es kommt zu – nach Zeitzeugen beiläufigen – Plünderungen. Am Morgen des 10. November sind die Straßen mit Glasscherben übersät, am Nachmittag marschieren radikale Antisemiten in der Stadt und verbrennen auf dem Marktplatz symbolisch für »den Juden« eine Strohpuppe. Die Polizei, die sich seit der »nationalen Erhebung« mit Rückblick auf ihre Gewalttätigkeiten als »dein Freund und Helfer« während der Notlagen in der Weimarer Zeit nun als »Helfer in sozialer Not« bezeichnet, nimmt vielmehr wohlhabende Juden in ›Schutzhaft‹, darunter den Metzgermeister Leo Stiel aus der Judenstraße, die seit 1933 »Horst-Wessel-Straße« heißt. Während ihm später noch die Flucht gelingt, wird seine Tochter in Auschwitz von der Polizei ermordet werden.
Mit dem Progrom beginnt die »Arisierung« in Deutschland, der Raub jüdischen Vermögens, mit dem der Staat versucht, seine durch die Hochrüstung zerrütteten Finanzen zu sanieren, und mit dem man sich auch privat und nicht zuletzt durch Korruption bereichert. Die Metzgerei Stiel fällt schließlich auch der »Arisierung« zum Opfer: Das nunmehr »entjudete« Geschäftslokal wird vom Schuhhaus Vöcking übernommen.
Ein Jahr später, 1939, erhebt Hitler den 9. November als »Gedenktag der Bewegung« zum Staatsfeiertag; 70 Jahre später, 2008, wird die Stadt Eschweiler des Progroms von 1938 gedenken.

Am 30. November zieht das 1. Ersatz-Bataillon des Infanterieregiments 78 der Wehrmacht nach einem von SA und Polizei angeführten Marsch durch die Stadt mit Parade vor dem Rathaus und einer Feier auf dem Eschweiler Marktplatz in die Kaserne (»Hermann-Göring-Kaserne«) ein. Bürgermeister Kalvelage dankt dem »Führer«, dass dieser »Eschweiler wieder die Garnison schenkte«, bekennt sich »in treuer Verbundenheit und Liebe zum Soldatentum«, und in seiner Rede um 11 Uhr auf dem Marktplatz erklärt er, dass die Bevölkerung voll Sehnsucht diesen Tag herbeigesehnt habe, wobei er gewiss sei, dass diese getreu der alten Tradition ein herzliches Einvernehmen mit dem Militär finden werde. Für die Nazis spricht anschließend Kreisleiter Schubert, die Eschweiler Ortsgruppenleiter Kuiff, Dr. Henckel, Wolff und Hansen sind anwesend. Für das Militär sprechen Regimentskommandeur Oberst Lütkenhaus und anschließend Bataillonskommandeur Major Böhm Dank an die Eschweiler Bevölkerung aus. Ehrengäste der Veranstaltung sind der Regierungspräsident, der Landrat, Vertreter des Kriegervereins und Vertreter von Industrie, Handwerk und Handel. Nach dem Einmarsch in die Kaserne findet ein Imbiss in der Schützenhalle statt, wo Bürgermeister Kalvelage sein Glas auf den »Führer« erhebt. Am Abend gibt es einen »Kameradschaftsabend« in den Gaststätten der Stadt. Wenige Tage später aber steht die Kaserne schon wieder überwiegend leer: Die Dienstpflichtigen sind entlassen worden. Von 1919 bis 1929, während der Besatzung des Rheinlands durch die West-Alliierten des Ersten Weltkriegs, hatte die Kaserne diesen gedient, seit 1932 als Berufsschule, Jugendherberge und Obdach der »Hitler-Jugend«. Auch die Polizeiausbildungsstelle der SA (Hilfspolizei für den Kreis Aachen-Land) war in der Kaserne untergebracht gewesen, und dann lebten wegen der Wohnungsnot bis zum Wiedereinzug des Militärs noch 80 Familien dort.
1939

Am 7. Januar ziehen Rekruten aus der von Deutschland annektierten »Ostmark« (Österreich) in die Kaserne (»Hermann-Göring-Kaserne«) ein, am Ende des Monats solche aus der Region.
Die von der »Deutschen Arbeitsfront« (DAF) errichteten 101 Wohnungen am Jägerspfad stehen im Rohbau. Derweil sollen in der Rheinprovinz selbst laut Nazi-Presse immer noch wenigstens 259.000 Wohnungen für rund mehr als 1 Million Menschen fehlen. Der Wohnungsbau soll jedoch erst nach Herstellung der »Wehr- und Wirtschaftsfreiheit« des Reichs im notwendigen Maße aufgenommen oder fertiggestellt werden.
Am 18. Januar findet in der Schützenhalle die »beamtenpolitische Großkundgebung des Kreises Aachen-Land« statt.
Die Filmgaustelle führt am 19. Januar im Primus-Palast »Juden ohne Maske« und »Stärker als Paragraphen« auf, antisemitische Hetzfilme. Gezeigt werden aber auch, und auch noch im Krieg, freilich heldenhafte, draufgängerische, Hollywood-Filme; die Hollywood-Industrie hat einen lukrativen Pakt mit den Nazis und stellt moralische Bedenken hinter wirtschaftliche Interessen zurück.

Ideologisch verbrämt fusionieren Eschweiler Sportvereine in der »Eschweiler Sportgemeinschaft« (ESG) in den Stadtfarben Blau/Gelb.

Am 1. September überfällt Deutschland Polen und beginnt auch den Zweiten Weltkrieg, in dem dann rund 55 Millionen Menschen, nach den 11 Millionen des Ersten Weltkriegs, umgebracht werden. In der Kaserne liegt seit 1939 das Ergänzungs-/Ersatz- bzw. Ausbildungsbatallion 464 und im weiteren Kriegsverlauf als Fronttruppe das Infanterie-Regiment 78 der in der zweiten Welle aufgestellten 253. Infanteriedivision. Hier erhalten die Eschweiler, die zum Krieg eingezogen werden, ihre Grundausbildung; seit 1944 sind dies auch männliche Jugendliche, die ab dem Alter von 17 Jahren sowohl freiwillig an die Front gehen als auch dazu gezwungen werden.
Am 10. September wird der Ausweiszwang für jeden über 15 Jahre erlassen.
1940

Schließung der Concordiahütte.

Das Unheil, das von Deutschland losgetreten worden ist, fällt von nun an auf Deutschland zurück, und am Ende wollen die Alliierten nicht die Deutschen vom Nazismus befreien, sondern die Welt von Deutschland: Am 12. Mai fallen in Eschweiler erstmals Bomben. Am Patternhof gibt es zwei Tote und einen Verletzten. Der Bombenkrieg mit Flächenangriffen und damit das Schicksal der deutschen Großstädte im Luftkrieg wird Eschweiler aber zunächst noch erspart. Erst 1944 wird die Stadt primäres Angriffsziel.
1941

Per 6. Januar wird der Ladenschluss im Regierungsbezirk Aachen im Verordnungswege auf 18 Uhr festgelegt, Lebensmittel können freilich auch noch bis 19 Uhr gekauft werden.

Im Februar werden in Eschweiler Feierlichkeiten zum »Tag der deutschen Polizei«, den »Helfern in sozialer Not« begangen. Polizei, Feuerwehr und Nazi-Gruppen marschieren gemeinsam durch Eschweiler. Dann ermordet die deutsche Ordnungspolizei in den »Einsatzgruppen« in Osteuropa Juden.

Im März verhandelt erstmals das am Landgericht Aachen eingerichtete Sondergericht für politische Sachen und Strafsachen unter Ausnutzung der Kriegslage, Rechtsmittel gegen dessen Sprüche sind nicht gegeben. Gerhard Marx ist Staatsanwalt an diesem Sondergericht und setzt seine Karriere in der Justiz nach dem Krieg als Amtsgerichtsdirektor in Eschweiler fort.

Die Siedlung Jägerspfad wird durch die Nazi-Organisation »Deutsche Arbeitsfront« (DAF) fertiggestellt.

Im Juni beteiligt sich die Lokalpresse bisher ungewöhnlich aktiv an einer weiteren antisemitischen Welle, welche die im September auch in Eschweiler erfolgte Kennzeichnung der – dort indes recht wenigen – Juden mit dem gelben Stern vorbereitet. Die Nazi-Propaganda im Eschweiler Beobachter verknüpft dabei eine Erinnerung an die 1939 verordnete allgemeine Ausweispflicht. Zudem ist die Rede von Berichten Eschweiler Frontsoldaten über angebliche von Juden begangene Gräuel im Osten, und darüber, dass »die Viehställe bei uns sauberer sind als hier [in der Sowjetunion, HvL] die Wohnungen«. Zugleich macht der Eschweiler Beobachter mit einem Artikel über die neue Spielzeit im Aachener Theater auf, und dass »das Recht auf den Kunstgenuss der Nationalsozialismus jedem deutschen Volksgenossen sichergestellt« habe. Im Januar 2010 schließlich werden dem Amtsgericht in Eschweiler anonym 50 Fotos zugesteckt, die deutsche Kriegsverbrechen, wahrscheinlich 1941 in der Sowjetunion begangen, zeigen. Die Fotos seien bereits vor 50 Jahren anlässlich einer Wohnungsrenovierung am Eschweiler Marktplatz gefunden worden, schreibt der Einreicher. Es wird jedoch vermutet, dass sich hier ein Erbe einer Last aus Eschweiler entledigt hat.

Am 26. September weist das Amtsblatt der Stadt groß mit Foto und ätzender Hetze gegen Juden auf die Kennzeichnungspflicht hin, um dem »bezeichnenden Wesen der Juden [...] sich zu tarnen« angesichts der »widerwärtigen Grausamkeiten im Osten« und den zu »jeder persönlichen Scheußlichkeit fähigen« Juden »entgegenzuwirken«. Der Eschweiler Beobachter bemüht sich um Akzeptanz und bringt parallel einen relativierenden Bericht über das Hakenkreuz als »Zeichen Jahrtausende alten germanischen Volkstums und nationalsozialistischer Volksgemeinschaft« und die Verteilung von derselben Blechansteckern durch das Kriegs-Winterhilfswerk, und der katholische Bote an der Inde zieht nach. In Aachen bestehen indes »Judenhäuser«, in denen Juden gettoähnlich eingepfercht werden, und Eschweiler Juden müssen seit dem Sommer in Sammellager umziehen, zwei davon bestehen in Pumpe-Stich: auf dem Gelände des heutigen Waldfriedhofs und an der Kreuzung Stolberger Straße/Alte Rodung. Einige von ihnen müssen Zwangsarbeit in Stolberg leisten. Jüdische Friedhöfe werden geschändet. Im Oktober folgt die (vorgezogene) Entscheidung zur Deportation. Konkreter Hintergrund ist, dass der Krieg im Osten nicht planmäßig verläuft. Aufhänger ist die Umsiedlung der Wolga-Deutschen als auch um noch verbliebenen jüdischen Wohnraum im Hinblick auf den Luftkrieg in Besitz zu nehmen. Auch aus der Auslandsberichterstattung der in Eschweiler erscheinenden Presse wird spätestens jetzt deutlich, dass Deportationen von Juden in deren Vernichtung führen; Hitler hat dies bereits am 30. Januar 1939 in seiner Rede vor dem Reichtag angekündigt.

Es bestehen nunmehr auch zehn Lager für insgesamt mehr als 5.000 Kriegsgefangene. In der Lokalpresse wird vor Tischgemeinschaften mit Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern, die den »vertierten Rassen« angehörten wie etwa Polen, eindrücklich gewarnt. Der polnische Zwangsarbeiter Johann Zdum wird vom Dürwißer Ortspolizisten Leopold Romeike wegen »Rassenschande« verhaftet. Ihm wird eine Affäre mit einer »arischen« Frau aus Dürwiß vorgeworfen. Am 20. März 1942 wird er in Dürwiß an einem transportablen Galgen öffentlich gehenkt.
1942

Im Frühjahr beginnt die Deportation der Juden. 52 deportierte Personen aus Eschweiler sind bis heute bekannt geworden, anderen gelang die Flucht. Die Nazis bemäkeln bereits 1934, dass die Volkszählung von 1933 nur die 107 religiös bekennenden Juden in Eschweiler (1926: 166) erfasst habe, sodass die Zahl derer, die in Eschweiler »rassisch« als Juden verfolgt werden, höher liegt als die aus der Volkszählung. Parallel zur Deportation erreicht die Hetze gegen Juden insbesondere im Eschweiler Beobachter einen Höhepunkt.

Curt Englaender, gottgläubiger Antisemit, Nazi und Rechtsanwalt aus Eschweiler, wird im April Stadthauptmann in Lublin im besetzten Polen. Er ist dort zumindest an der Selektion polnischer Juden beteiligt. Nach dem Krieg wird er Präsident des Oberverwaltungsgerichts in Mainz werden.

Im Juni bewerben Presse und Gaufilmstelle in Eschweiler die »Euthanasie«-Morde in Deutschland. Der Film »Ich klage an« wird in Stich und in Hehlrath gezeigt. Zur selben Zeit halten sich die Nazis reichsweit mit der Bewerbung der Morde indes zurück und das »Euthanasie«-Programm ist offiziell bereits gestoppt, wird insgeheim aber fortgesetzt. Aus Eschweiler ist der Mord an Petronella Büttgen geb. Schiffeler bekannt geworden. Infolge eines Unfalls litt Petronella Büttgen an spontan auftretenden Krampfanfällen. Ihre Ehe wurde deswegen geschieden und sie zunächst nach Düren eingewiesen. Schließlich starb sie an einer ärztlich verordneten »Hungerkur« in der Anstalt in Kaufbeuren, nicht ohne zuvor in der Rüstungswirtschaft zwangsgearbeitet zu haben.
1943

Eine Luftmine zerstört die Ostseite des Markts und Teile der Kirche mitsamt der St. Michaels-Statue.

Die Lokalpresse kommt dem Normalschrift-Erlass Hitlers von 1942 nach: Der katholische Bote an der Inde bereits zum 30. August, derweil das Nazi-Blatt selbst, der Westdeutsche Beobachter (Ausgabe Eschweiler mit Eschweiler Beobachter) sich Zeit bis zum Dezember 1943 lässt.
1944

Am 24. Januar greifen 58 Bomber Eschweiler zur Vorbereitung der Bodenoffensive der Alliierten an. Es gibt vermutlich 567 Tote.

Im August erfolgt die »Aktion Gewitter«, eine Verhaftungswelle im Zuge der Widerstandsbewegung vom 20. Juli. Der Bergmann und frühere Gewerkschafts-Sekretär Kurt Georg Dietz wird in das KZ Sachsenhausen eingeliefert und kommt wahrscheinlich auf einem Todesmarsch um.

Im September 1944 wird Eschweiler Frontstadt und die Bevölkerung der Stadt von den deutschen Behörden evakuiert – großteils: z.B. die Bettlägrigen des Kreispflegehauses müssen selbst für ihren Schutz sorgen und auch einige Hundert andere Eschweiler, darunter Dienstverpflichtete in Bergbau und Industrie sowie 53 Personen des Krankenhaus-Personals bleiben in der Stadt, so mancher Eschweiler auch »schwarz«.
Es gründen sich sog. Werwölfe, Nazi-Freischärler, die gegen vermeintliche Kollaborateure brutal vorgehen.
Das Kraftwerk in Weisweiler wird zunächst weiterhin gefahren, um Strom zur Verlängerung des verlorenen Krieges zu fördern. In Hehlrath fängt das Kohleflöz durch die schweren Angriffe der Alliierten jedoch Feuer und brennt bis August 1945.

Im Oktober endet die Geschichte der Steinkohleförderung in Eschweiler: Durch kriegsbedingten Stromausfall am 28. September säuft die Grube Reserve binnen weniger Tage ab. Nach dem Krieg wird der Eschweiler Bergwerks-Verein (EBV) beschließen, die Förderung nicht wieder aufzunehmen. Anfang der 1960er Jahre wird die Deutsche Fibercast, ein Tochterunternehmen des EBV, auf dem Werksgelände einziehen.

Am 22. November ist der Krieg in Eschweiler zu Ende: amerikanische Truppen besetzen die Stadt. Eschweiler ist teils zu über 60 % zerstört. Wohl kreisen noch Gerüchte über Werwolf-Aktionen der Deutschen gegen Kollaborateure im besetzten westlichen Reichsgebiet, in Aachen wird der Oberbürgermeister von Nazis ermordet, die Kampfhandlungen dort sind indes schon beendet. Ein Eschweiler Rechtsanwalt wird später eine des Mordes Angeklagte verteidigen und dazu den »Befehlsnotstand« berufen.
Am 23. November setzen die Amerikaner Johann Dell zum Bürgermeister von Eschweiler ein, am 1. Dezember Klaus Mirbach. An der Ausweichstelle der von den Deutschen evakuierten Stadtverwaltung amtiert indes noch bis zum 25. März 1945 der Nazi Otto Pieperbeck als Bürgermeister, zugleich Direktor des Versicherungsamtes der Stadt Köln. In der Nachkriegszeit wird er seine Karriere als Verwaltungsbeamter nahtlos bis zu seiner Pensionierung fortsetzen.

Am 3. Dezember veranlassen die Amerikaner die weitergehende Räumung Eschweilers. Betroffen sind 500 Einwohner. Da die Amerikaner auch das Antonius-Hospital beschlagnahmen, verlegt das Krankenhauspersonal in das beschädigte Kreispflegehaus.

1945

Am 8. Mai 1945 kapituliert die deutsche Reichsregierung unter dem später als Kriegsverbrecher verurteilten Großadmiral Karl Dönitz. Die britische Militärregierung übernimmt Eschweiler.
Neben den Kriegstoten gelten weitere 562 Soldaten aus Eschweiler als vermisst. Auch so einige Eschweiler Hitlerjungen sind von ihrer Ideologie und deren Todesverherrlichung ereilt worden, z.B.: der »Gebietsführer« der HJ in der Region, Heinz Hohoff, kam beim freiwilligem Kriegseinsatz in Stalingrad um, der »Gefolgschaftsführer«, welcher 1940 der erste Eschweiler Hitlerjunge war, der den Segelflugschein erworben hatte, starb 1943 bei einem Flugzeugabsturz auf dem Militärflugplatz Rosenborn, der »Kameradschaftsführer« Eschweiler-Mitte »opferte« sich 1944 in Tarnopol gleich zu Anfang des auch militärisch sinnlosen Festungskampfs.

Am 13. Juli setzen die Briten Hermann Zurhorst und am 18. Oktober Franz van Eys zum Bürgermeister ein.
Bearbeitung: Haro von Laufenberg

Desaster in der Grube »Reserve« 1931

Arbeitsbedingungen im EBV, 1930er-Jahre und später

Werkskapelle des Eschweiler Bergwerks-Vereins (EBV) unter der Leitung von W. Görtz. Die Kapelle spielt für die Nazi-Kundgebungen in Eschweiler und auch für den Nazi-Rundfunk.

Der Eschweiler Stadtrat benennt 1933 die Judenstraße nach einem Nazi-Schläger in Horst-Wessel-Straße um, Postkarte a1940 mit rechts dem dato bereits »entjudeten« Kaufhaus Tietz (Sammlung Franz Hirtz)

Umzug des »Reichsnährstands« Abteilung Gartenbau, 1934 in der Dürener Straße

Eine Focke-Wulff des NSFK auf dem Flugplatz Merzbrück, hier und auf dem vom Bürgermeister bereitgestellten Platz am Donnerberg übt die Hitlerjugend seit 1934 für den Krieg

Eschweiler Grabenstraße um 1935

Arbeiter im Tagebau »Zukunft« vor einem Eimerkettenbagger, a1935

Schaufelradbagger im September 1935 an der Landstraße zwischen Eschweiler und Dürwiß

Führerkult: »Altar« der Eschweiler »Frauengemeinschaft Stadtmitte« 1937 (Foto: Alfred Englaender)

Fronleichnam-Prozession unterm Hakenkreuz, 27. Mai 1937 in Eschweiler-Pumpe-Stich

Kranzniederlegung am Kriegerdenkmal durch Bürgermeister Kalvelage (mit »Deutschem Gruß«) am 13. Juni 1937 (Foto: Junggeburth)

Die in Eschweiler häufig beschworene Kameradschaft zwischen »alt und jung«: Militaristen und Jugend, 13. Juni 1937 (Foto: Westdeutscher Beobachter)

Bürgermeister Dr. Kalvelage im Kreis lokaler Nazi-Größen, Eschweiler Schützenhalle 10. Jan. 1938 (Foto: Alfred Englaender)

Auf der Baustelle für die Reichsautobahn, März 1938 (Foto: Alfred Englaender)

Eschweiler SS auf der Grabenstraße am 10. April 1938 anlässlich der »Volksabstimmung« über den »Anschluss« Österreichs an das »Alt-Reich« (Foto: Alfred Englaender)

Der Eschweiler Bergwerks-Verein (EBV) zeigt Flagge: Verwaltungsgebäude in Pumpe, ehem. sog. Bergamt, »geschmückt« zum 100jährigen Bestehen des EBV, 1938

Parade der Wehrmacht vor dem Rathaus in der Grabenstraße, 30. Nov. 1938 (Foto: Westdeutscher Beobachter)

Marsch der Eschweiler Feuerschutzpolizei (Feuerwehr) durch die Marienstraße, vermutlich am 28. Jan. 1939, dem »Tag der Polizei«

Kriegsverherrlichung, Ausdruck der »Volksgemeinschaft« im Kriegswinter 1939/40 (Gemälde von Adam Bachmann, Studienrat am Eschweiler Gymnasium)

»Selfie« a1940: Hitlerjugend in Pumpe-Stich, von li. nach re.: Gebietsführer Köln-Aachen Heinz Hohoff, Scharführer, Oberrottenführer der Nachrichten-HJ

Luftschutzmahnmal in der Weisweiler Hauptstraße, 1940 (Quelle: Hans Steinberg, J. Thelen)

Luftkrieg: erste Fliegerbomben in Eschweiler, Mai 1940

Segregation und amtliche Hetze: Kennzeichnungspflicht für Juden (Westdeutscher Beobachter, 17. Jg. Nr. 264, Ausgabe Eschweiler, 26.9.1941)

Luftmine trifft am Marktplatz, li. Kirche, 1943 (Foto: Willi Cron)

Luftbild: Hastenrath nach der Bombadierung 1944 (Foto: U.S. Army)

Toter GI an der Grube Reserve, 1944 (Foto: John Florea, LIFE Magazine)

Eschweiler Markt im Dezember 1944 (Foto: John Florea, LIFE Magazine)

Räumung Eschweilers, Grabenstraße im Dezember 1944 (Foto: John Florea, LIFE Magazine)

Hauptstraße in Weisweiler, Dez. 1944 (Foto: John Florea, LIFE-Magazine)

Ende 1944 in Eschweiler (Foto: John Florea, LIFE Magazine)

Kriegsende in Eschweiler und Umgebung

118 Fotos von John Florea mit Abbildung der Zerstörung und von Militär- als auch Zivilpersonen in Eschweiler und Umgegend in der LIFE Photo Collection bei Google Arts & Culture:

»Fall Of Eschweiler, Germany«

»Eischweiler [sic!] Area & Weisweiler«

»Hammich [sic!] & Heistern«

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