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Eschweiler Arbeiter und Bergleute, Lebensverhältnisse, Darstellung und Wahrnehmung

Text
»Es muss ein schlechter Bergmann sein, der älter als 45 Jahre wird.« Dieser Satz wird den Bergwerksbetreibern zugeschrieben, und tatsächlich haben Arbeiter in Eschweiler nicht nur wegen der Silikose unter den Bergmännern eine kurze Lebenserwartung gehabt. Die Arbeit in den Werken des Eschweiler Bergwerks-Vereins (EBV), der neben dem Steinkohle-Bergbau auch die Eisen- und Stahlindustrie in Eschweiler betrieb, war überhaupt bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts lebensgefährlich. Dem EBV wurden gravierende Mängel in der Arbeitssicherheit bei gleichzeitig erhöhtem Leistungsdruck und die Verwendung unerfahrener, aber billiger Arbeitsleute vorgeworfen. Während wenigen ausgesuchten Facharbeitern Werkswohnungen als Werbungsmaßnahmen bereitgestellt wurden, hauste die Mehrheit der Arbeiter unter ärmlichsten Bedingungen und litt nicht selten Hunger. Diese kongruent mit der Schwerindustrialisierung zunehmende Arbeiterschaft setzte sich – im Gegensatz und nicht ganz konfliktfrei zu den bodenständigen Leuten in der Landwirtschaft – aus allerlei Landsleuten zusammen: Der EBV hatte deutschlandweit und weiter in Osteuropa Arbeiter für die Akkordarbeit angeworben. Ein Gutes mag davon geblieben sein, nämlich eine gewisse Toleranz der Eschweiler gegenüber Fremden.

Linkspolitische Aktivitäten sind derweil bis zum Ende der Wilhelminischen Zeit im ganzen Aachener Revier nicht bekannt geworden. Vielmehr hatte die katholische Kirche die soziale Frage fest im Griff, wobei das in Eschweiler auf Bemühen der Bürgermeister Carbyn und Hettlage kasernierte Militär außerordentlich hilfreich war. Denn sozialdemokratische Vereine gab es insbesondere unter den Eschweiler Bergleuten schon recht früh. Diese Lage änderte sich jedoch schlagartig mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, dem Krieg in dem vor allem die Arbeiter den Eschweiler Blutzoll für Gott, Kaiser und Vaterland erbrachten und für Gott, Kaiser und Vaterland hungerten. Nachdem aufgrund der Waffenstillstandsvereinbarungen das Militär aus der Eschweiler Kaserne abziehen musste, gab es Streikwellen, alleine das Jahr 1919 zeugt von über 100 Streiks im Aachener Revier, und Anarcho-Syndikalisten (Freie Arbeiter-Union, FAU) und dann auch die Kommunistische Partei (KPD) gewannen großen Einfluss in der Arbeiterschaft. Wenngleich sich 1918 in Eschweiler ein eher wohl gemäßigter Arbeiter- und Soldatenrat in der Arbeiterschaft doch durchsetzen konnte, so konnte eine Revolution hier auch schon unter der Bedrohung mit neuem Militär, nämlich der Besatzung durch die französische und belgische Militärmacht, und zudem gegen den Widerstand national-bürgerlicher Kreise als auch der katholischen Kirche nahestehender und sozialdemokratischer Gewerkschaften nicht gelingen. In den weiteren Hungerjahren 1922 und 1923 kam es in Eschweiler und Umgebung gleichwohl zu Revolten, die von der örtlichen deutschen Polizei allerdings erbarmungslos niedergeschossen wurden. Während die Anarcho-Syndikalisten ab 1929 ihren Einfluss so rasch wie gewonnen wieder verloren, blieb der der KPD bedeutend, und bei Wahlen überflügelte diese in Eschweiler stets die SPD. Die KPD büßte erst an die Nazis ein, bevor sie von diesen verboten wurde, obgleich die Nazis letztlich keine Verbesserungen für die Arbeiter schufen. Doch anders als die Anarchisten barg auch die KPD totalitäre Elemente in sich.

»Kanonen statt Butter« gab der Nazi-Grande und Kriegsverbrecher »Reichsmarschall« Hermann Göring als Parole aus. So boomte die Wirtschaft im Nazi-Reich und auch die Arbeitslosigkeit ging zurück. Doch der Boom diente freilich nur der Rüstung und den Rüstungskonzernen. 1935/36 gab es wieder Lebensmittelknappheit, und die Lebensverhältnisse überstiegen allgemein bis 1938 nie den Stand in der Weimarer Republik vor der Krise, und dann kam 1939 schon der nächste von Deutschland begonnene Angriffs-Krieg.
Was nach 1945 von der KPD, die ihre Zielrichtungen nun an den »verfassungsgemäßen Rechten und Freiheiten« ausrichtete, wiedererstanden war, wurde 1956 von der Adenauer-Regierung verboten. Doch als kommunistische Betriebsräte beim EBV verhaftet wurden, streikten die Arbeiter sie noch einmal frei. Derweil ist die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), der eine programmatische und sprachliche Nähe zu den Nazis testiert wird, heute noch präsent und mit rund 350 Mandaten in kommunalen Vertretungskörperschaften von 14 Bundesländern (Stand: 2017) vertreten.

Schließlich brachte die Wirtschaftswunder-Zeit Verbesserungen und heute gibt es keinen Klassenkampf mehr. Von der einstigen, bis in die 1950er-Jahre hineinreichenden Kraft linksradikaler Gruppen ist in Eschweiler nichts mehr zu spüren.

Text und Bildlegenden: Haro von Laufenberg